Strecke: 17 km (davon ca. 2,5 km Busfahrt durch den Rosi-Mittermaier-Tunnel)
Wanderzeit: ca. 7 Std.
Aufstieg: ca. 400 m
Abstieg: ca. 1330 m
Höchster Punkt 2980 m
Kurzbeschreibung:
Von der Braunschweiger Hütte über das Rettenbachjoch oder Pitztaler Jöchl • Mit dem Bus durch den Rettenbachferner-Tunnel > Ötztaler Höhenweg in Richtung Vent > Weißkarsee > Abstieg nach Vent
Es gibt zwei Wege, die zum Rettenbachferner und der Liftanlage beim Restaurant führen: Den etwas kürzeren aber steileren Weg über das Rettenbachjoch und den längeren, weniger steilen aber stellenweise etwas ausgesetzten Weg über das Pitztaler Jöchl, der als etwas schwieriger gilt. Ich habe mir die Wahl bis zuletzt offen gelassen und von den örtlichen Bedingungen abhängig gemacht. Heute Morgen entscheide ich mich dann für den kürzeren Weg über das Rettenbachjoch, nicht zuletzt deshalb, weil ich am Vorabend und am Morgen mitbekommen habe, dass fast alle Wandergruppen über das Pitztaler Jöchl gehen werden.
Laut einem Bergführer herrscht ganz oben am Rettenbachjoch auf Seite des Rettenbachferners erhöhte Steinschlaggefahr aber die gibt es am Pitztaler Jöchl auch und bevor ich mich in eine lange Schlange stelle um auf die Steine zu warten, bleibe ich lieber mobil und habe noch die Möglichkeit, Deckung zu finden, sollte mal etwas herunter kommen. Für die heutige Etappe werde ich als Etappenziel nicht die oft gewählte Martin-Busch-Hütte wählen, sondern mich vielmehr im kleinen und sehr beschaulichen Bergsteigerörtchen Vent einquartieren, um dann am nächsten Morgen von dort zur letzten Etappe aufzubrechen. Das bedeutet zwar am nächsten Tag mehr Weg, aber besonders der Teil bis zur Martin-Busch-Hütte ist nicht sehr steil und einfach zu laufen. Dafür kann ich ein ruhiges, kleines Gästezimmer in einer sehr netten Pension mein Eigen nennen. Auch wenn ich eine Berghütte normalerweise immer bevorzugen würde, weiß ich, dass es auf der Martin-Busch-Hütte ebenso voll ist, wie auf den anderen Haupt-Etappenzielen und das erspare ich mir lieber. Eine kurzfristige Überlegung war noch, gleich bis zur Similaunhütte durchzulaufen und am nächsten Tag mit ausreichend Zeit noch einen Abstecher zur Ötzi-Fundstelle zu machen. Der Anruf auf der Similaunhütte hat diese Idee aber schnell in Rauch aufgelöst: „Keine Chance, bloß nicht zum Übernachten raufkommen!“, so die klare Aussage des Hüttenwirtes.
Mein Weg beginnt gleich unterhalb der Braunschweiger Hütte und führt mich zunächst durch eine Senke über die letzten Reste der Oberkante des Karlesferners, der sich zu meiner Rechten ins Tal schiebt. Kurz darauf wird es zunehmend steiler und der Weg zieht sich im Zickzack die südöstliche Flanke des Karleskogels hinauf. Ich merke doch ein wenig, dass diese Kraxelei inzwischen auf knapp unter auf die 3000m stattfindet und die Anstrengung hier oben eine Andere ist. Vielleicht ist es aber auch nur der Energieverbrauch der letzen Tage und die schlechte letzte Nacht im Schlafraum der sauerstoffbefreiten Wandergruppe.
Irgendwann, nach etlichen Kehren, komme ich endlich an eine Kante, die die Letzte im Aufstieg zum Rettenbachjoch zu sein scheint. Ein letzter Blich zurück in eine idyllische Landschaft aus Gletschern, Berggipfeln und einfach nur wunderbarem Bergpanorama. Dann mache ich den letzten Schritt über die Kante und stehe in einer anderen Welt.
Vor mir die Bergstation einer großen Liftanlage, Maschendrahtzäune, Plastik, Beton und Stahl. Darunter die Reste des Rettenbachferners, dessen immer dünner werdende Eisschicht durch Plastikplanen vor der Sonne geschützt werden soll. Schöner war´s auf der anderen Seite aber hier führ der Weg nun mal entlang und auch das ist eine interessante Erfahrung, zu sehen, wie eines der größten Skigebiete der Alpen im Sommer aussieht. An der linken Seite geht es von der Liftanlage abwärts. Der Pfad führt teilweise durch Felsgeröll (hier besteht auch durchaus Steinschlaggefahr aus Richtung Gipfel des Karleskogel) und teilweise über den Rand des Gletschers hinab bis zum Restaurant Rettenbachferner. Man kann erahnen, was hier im Winter abgeht. In dem Areal befinden sich verschiedene Shops, Gastronomie und Dienstleister neben einer kleinen Tribüne und der Liftanlage.
Wer einen Blick vorab wagen möchte, auch um die aktuelle Wettersituation dort im Blick zu behalten, kann die Webcam am Rettenbachgletscher aufrufen, die dort installiert ist. Ich habe die Idee, Frau und Kindern daheim mal zuzuwinken und rufe Zuhause an. Nach einigen Minuten, die ich der sich ständig bewegenden Kamera mit Handy am Ohr hinterher gelaufen bin, haben wir dann allerdings feststellen müssen, dass die Bilder zeitverzögert eingespeist werden und der Livegruß nicht funktioniert. Die Bergstation Schwarze Schneid hat übrigens auch eine Webcam, die den Blick von oben vom Rettenbachjoch erlaubt.
An dieser Stelle endet übrigens auch der reguläre E5 für mich. Während der E5 von hier weiter nach Zwieselstein führen würde und von dort über Moos und St. Leonhard im Parseier nach Meran führt, geht die gängige Variante Oberstdorf-Meran über das Venter Tal. Auf dem riesigen, menschenleeren Parkplatz am Restaurant warten wir mit einer Handvoll Leuten auf den Bus, der stündlich hier die Wanderer abholt und durch den Rosi-Mittermaier-Tunnel auf die andere Seite zum Restaurant Tiefenbachferner bringt. Man kann wohl auch zu Fuß durch den Tunnel aber der Weg ist es wirklich nicht wert. Am Restaurant Tiefenbach erlebe ich nochmal die Steigerung der Hässlichkeit dieses Skigebietes in der Sommerzeit. Alles hier ist Beton, Schotter, Gebäude, Baustellen, Kräne, Bagger, Lärm.
Schnellen Fußes begebe ich mich auch den Weg in Richtung Vent. Zwei Wegbiegungen später ist von dem Baustellenterror und der hässlichen Umgebung nichts mehr übrig. Die Alpen haben mich wieder und die Laune steigt sofort auf ihr altes Niveau. Nun geht es etwa 3 Stunden den Ötztaler Höhenweg entlang, der weit oberhalb des Venter Tals entlang führt. Irgendwie ist auf einmal alles anders als vorher. Die Vegetation ist anders, die Farbe der Felsen ebenfalls. Wo im Pitztal noch Kühe auf den Weiden standen, sind hier überall Schafe. Irgendwie wirkt alles merklich südlicher. Man merkt, dass man die Alpensüdseite erreicht hat!
Ganz langsam und ohne nennenswerte Abstiege geht es über eine Strecke von etwa 11km hinunter nach Vent. Der Pfad schlängelt sich teils hart an steilen Wiesenhängen das Tal entlang. Auch wenn ich ein paar Mal in schwindelige Tiefen blicke, ist der Weg über die gesamte Strecke ohne Hindernisse und Gefahren einfach begehbar – ein sehr schöner, langer Spaziergang!
Am frühen Nachmittag erreiche ich Vent, ein kleines, beschauliches Örtchen, in dem so ziemlich alle E5 Gruppen zumindest eine ordentliche Pause einlegen. Viele Bergschulen sind aber aufgrund der extremen Beherbergungssituationen in den folgenden Hütten Martin-Busch und Similaun dazu übergegangen, ihre Kunden hier im Ort unterzubringen. Ich habe über booking.com eine ganz kleine Pension gefunden, die von einem sehr netten Jungen Paar aus – ich glaube – Ungarn betrieben wird. Einfache, kleine Zimmerchen, herzliche Gastgeber und eine sehr gutes Frühstück waren genau das, was ich mir gewünscht hatte.
Das Abendessen gönne ich mir mit einem Weggefährten vom Vortag gemeinsam im Hotel Post in Vent. Es gibt ein sehr üppiges und leckeres Buffet, das ich nur empfehlen kann. Allerdings wurde uns von einem netten Bergführer der Tipp gegeben, etwas früher zum Essen zu kommen, da es auch hier einen Ansturm geben würde, der das Buffet an seine Grenzen bringt. Der Ansturm kam, ging aber gesittet vonstatten und es gab ausreichend Nachschub aus der Küche, so dass niemand hungern musste. Gut gesättigt und mit verdienter Müdigkeit setze ich mich nach dem Abendessen zum letzten Marsch des Tages, einmal quer durch den Ort, in Bewegung und falle erschöpft in mein Bett.
Meine Unterkunft in Vent:
Haus Garni Stefani
Marzellweg 5
6458 Sölden
Österreich
Telefon: +43 5254 8108
Website: keine eigene gefunden, daher dieser Link zu booking.com
Sonstiges: Webcam Vent
E5 auf Abwegen, Tag 6: Vent – Martin-Busch-Hütte – Similaunhütte – Vernagt